Erdmännchen erkranken häufiger und sterben früher
Der Klimawandel hat Auswirkungen auf wildlebende Erdmännchen in der südafrikanischen Kalahari. Biologinnen und Biologen der Universität Ulm konnten anhand von Kotproben eine Veränderung der im Darm angesiedelten Bakterien nachweisen. Das Ergebnis: Über die letzten 20 Jahre hat sich das Mikrobiom mit krankheitserregenden Bacteroidia angereichert – gleichzeitig ist es an gesundheitsfördernden Milchsäurebakterien verarmt. Die Folgen daraus sind eine höhere Anfälligkeit gegenüber Tuberkulose und eine geringere Lebenserwartung der Erdmännchen. Veröffentlicht wurde die Studie in „Global Change Biology“.
Die durchschnittliche Höchsttemperatur hat in der
südafrikanischen Kalahari in den vergangenen 20 Jahren um mehr als zwei Grad
zugenommen, fünfmal mehr als im globalen Durchschnitt. Im gleichen Zeitraum
hat sich das Darm-Mikrobiom der Kalahari-Erdmännchen (Suricata suricatta) mit
den zumeist krankheitserregenden Bacteroidia angereichert und ist an
Milchsäurebakterien verarmt, einer Gruppe von Bakterien, die als vorteilhaft
gelten. „Diese Verschiebungen traten nicht nur innerhalb gegenwärtig
lebender Individuen auf, sondern wurden über Generationen hinweg
verstärkt“, schildern die Erstautorinnen der Veröffentlichung, Dr. Alice
Risely und Dr. Nadine Müller-Klein vom Institut für Evolutionsökologie und
Naturschutzgenomik der Uni Ulm.
Mehr Bacteroidia waren zusätzlich mit einem Anstieg von
Tuberkulose in der Erdmännchen-Population verknüpft. Trockene, heiße
Wetterphasen, schlechte Konstitution und das Auftreten von Tuberkulose sind
Faktoren, die direkt mit einer bis zu zehnmal niedrigeren Überlebenschance der
Kleinsäuger verbunden sind. Der gleichzeitig auftretende Verlust an
Milchsäure-produzierenden Bakterien, die für die Gesundheit von
Wirtsorganismen wichtig sind, trug nachweislich ebenfalls zur erhöhten
Sterblichkeit bei. Damit beantworten die Biologinnen und Biologen eine bislang
offene, doch essenzielle Frage: Wirken sich Klimaveränderungen auf das
Darm-Mikrobiom und damit längerfristig auf die Fitness ihres Wildtierwirts
aus?
Untersucht haben die Ulmer Forschenden insgesamt 1141
Kotproben von 235 Erdmännchen-Individuen, die seit 1993 vom „Kalahari
Meerkat Project“ unter der Leitung von Professor Tim Clutton-Brock
(Universität Cambridge, Cambridge, UK) und Professorin Marta Manser
(Universität Zürich, Schweiz) im Kuruman River Reservat im nördlichen
Südafrika gesammelt wurden. Außerdem reisten die Biologinnen und Biologen
selbst in die Kalahari, um vor Ort die Probennahme zu beobachten, Vorträge zu
halten und mit den Kooperationspartnern weitere Projekte zu besprechen. Bei
ihrem letzten Aufenthalt 2023 gelang es den Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern zudem, eine Gruppe von tuberkulosekranken Erdmännchen, die
seit Monaten nicht lokalisierbar war, wiederzufinden. Im Forschungslabor an der
Universität Ulm wurde die bakterielle DNA der Kotproben dann extrahiert und
ein bestimmtes Gen, anhand dessen man Bakterien unterscheiden kann,
identifiziert.
Das Mikrobiom, also die Gemeinschaft von Bakterien im
Darm, ist von zentraler Bedeutung für den Stoffwechsel und die Immunität des
Wirt-Säugetiers. Es reguliert das Gleichgewicht von vielen zentralen
physiologischen Prozesse im Organismus. Wird die mikrobielle Gemeinschaft
dauerhaft gestört, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben und zu einer so
genannten Dysbiose führen, die oft mit der Abnahme nützlicher Bakterien und
der Zunahme potenziell krankheitserregender Bakterien verbunden ist.
Stressoren, die eine derartige Störung hervorrufen können, sind vielfältig.
Dazu gehören unter anderem vom Menschen gemachte Veränderungen des
Lebensraumes gekoppelt mit Veränderungen der natürlichen Nahrung, des
sozialen Umfeldes, sowie psychischer und physischer Stress, Umweltgifte wie
Dünger oder Unkrautvernichter, Medikamente, Krankheiten etc. Mithilfe eines
statistischen Modells konnten die Forschenden in dieser Langzeitstudie einen
Zusammenhang zwischen den Temperaturveränderungen und der Zusammensetzung der
bakteriellen Darmgemeinschaft erkennen. „Die Tatsache, dass auch der
Klimawandel die Darmbakterien stören kann, war bislang unbekannt“, fasst Dr.
Dominik Schmid, ebenfalls Mitglied der Forschungsgruppe, zusammen.
Institutsleiterin Professorin Simone Sommer ordnet die
Beobachtungen der Veränderungen des Erdmännchen-Mikrobioms im Hinblick auf
die globale Klimaerwärmung ein: „Langzeitstudien über die mikrobielle
Darmgemeinschaft von Wildtierarten sind äußerst selten. Viele Fragen zu den
Folgen von Temperaturveränderungen oder Krankheitsanfälligkeit können oft
nur in Experimenten behandelt werden oder werden aufgrund kurzfristiger
Beobachtungen vermutet. Um zu verstehen, ob die vermuteten Auswirkungen
biologisch bedeutsam sind, müssen die Annahmen jedoch anhand von Langzeitdaten
und unter natürlichen Gegebenheiten überprüft werden, wozu wir hier erstmals
Gelegenheit hatten.“
Die Studie am Institut für Evolutionsökologie und
Naturschutzgenomik der Universität Ulm ist die Erste, die die Auswirkungen der
Klimaveränderung und der Krankheitsdynamik auf die Zusammensetzung des
Darm-Mikrobioms in einer Region der Welt dokumentiert, in der die globale
Erwärmung fünfmal so schnell voranschreitet wie im Rest der Welt.
Publikationshinweis:
Risely, A., Müller-Klein,
N., Schmid, D. W., Wilhelm, K., Clutton-Brock, T. H., Manser, M. B., & Sommer,
S. (2023). Climate change drives loss of bacterial gut mutualists at the
expense of host survival in wild meerkats. Global Change Biology, 00,
1–13
https://doi.org/10.1111/gcb.16877
Universität Ulm
welche Auswirkungen der Klimawandel auf wilde Erdmännchen in der Kalahari hat, haben Biologinnen und Biologen der Uni Ulm anhand von Kotproben untersucht
Branche |
|
---|---|
gegründet | 1967 |