„Leukämie-Atlas“ weist den Weg zur personalisierten Therapie
Meilenstein auf dem Weg zur personalisierten Behandlung und genaueren Prognose der Chronischen Lymphatischen Leukämie (CLL): Forschende aus den USA, Spanien und Deutschland haben Proben von 1148 CLL-Patientinnen und -Patienten analysiert. Basierend auf dieser größtmöglichen Datenmenge konnten sie eine detaillierte Übersicht zu genetischen Veränderungen und CLL-Subtypen erstellen. Dadurch lässt sich das genetische Profil neuer Patientinnen und Patienten mit vorherigen Fällen abgleichen und die passende Therapie bestimmen. Professor Stephan Stilgenbauer vom Universitätsklinikum Ulm hat die deutsche Studie geleitet. Nun ist die Publikation in „Nature Genetics“ erschienen.
Die Chronische Lymphatische Leukämie gehört zu den häufigsten Blutkrebsarten im Erwachsenenalter. Eine Heilung ist selten, allerdings können einige Betroffene lange Zeit gut mit der CLL leben. Manchmal verschlechtert sich der Zustand der Patientinnen und Patienten aber auch rapide. Die unterschiedlichen Verläufe dieser komplexen Erkrankung erklären sich teilweise durch verschiedene CLL-Subtypen und bestimmte Mutationen. Nun hat ein internationales Forschungsteam eine Übersichtskarte erstellt. Dieser „Leukämie-Atlas“ ermöglicht Einblicke in molekularbiologische Veränderungen bei der Blutkrebs-Erkrankung. Vor allem aber ebnet der Atlas den Weg zu neuen diagnostischen Markern, einer genaueren Prognose und therapeutischen Ansätzen.
Bisherige Untersuchungen zur Chronischen Lymphatischen Leukämie basierten
entweder auf eingeschränkten Datenmengen oder sie bezogen sich auf bestimmte
Patientengruppen. Doch nun haben internationale Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler – darunter die Ulmer Leukämieforscher Dr. Eugen Tausch, Dr.
Christof Schneider und Professor Stephan Stilgenbauer —1148 Patientenproben
auf genetische und epigenetische Veränderungen sowie Genexpressionsmuster
untersucht.
Die Auswertung dieser bis dato größten Datensammlung hilft nicht nur
Forschenden weltweit, die molekularbiologische Grundlagen der CLL und ihrer
Subtypen im Detail zu verstehen. „Auch in der Klinik kann der Atlas
eingesetzt werden, um das genetische Profil neuer Patienten zu bestimmen und
dieses mit dem Krankheitsverlauf und Behandlungserfolg anderer, bereits
therapierter Betroffener abzugleichen.“ Somit würden Prognosen
verlässlicher, erklärt Seniorautorin Professorin Catherine Wu, Leiterin des
Bereichs Stammzelltransplantation am Dana-Farber Cancer Institute und
Wissenschaftlerin an der Harvard Medical School. „Dieses genetische
,Profiling‘ bringt die personalisierte Krebsmedizin einen großen Schritt
weiter. Basierend auf den molekularen Eigenschaften der Blutkrebserkrankung
lässt sich die Behandlung individuell auf die Patientin oder den Patienten
abstimmen“, ergänzt Professor Stilgenbauer, Ärztlicher Direktor des
Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU) und
Sektionsleiter an der Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum Ulm.
Über 100 bislang unbekannte potenzielle "Krebsgene" identifiziert
Bei ihren Untersuchungen identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt 202 Gene, die in mutierter Form eine CLL-Erkrankung vorantreiben können. Darunter sind 109 bislang unbekannte potenzielle „Krebsgene“. Außerdem gelang es ihnen, die Charakterisierung der CLL-Subtypen weiter zu verfeinern und neue Unterformen zu identifizieren. „Unsere Analysen haben gezeigt, dass die genetischen und molekularbiologischen Eigenschaften der CLL noch deutlich komplexer sind als gedacht“, betont Co-Seniorautor Professor Gad Getz, Bioinformatiker vom Mass General Cancer Center.
Insgesamt hängt die Prognose bei der Chronischen Lymphatischen Leukämie
offenbar von einer Kombination aus genetischen und epigenetischen Merkmalen
sowie transkriptomischen Mustern zusammen. „In Summe können solche
Patientendaten bei der Einschätzung des Krankheitsverlaufs helfen: Besteht die
Chance einer Remission oder das Risiko einer Verschlechterung?“, beschreibt
Professor Stilgenbauer, der laut „Clarivate“ zu den meistzitierten
Leukämieforschern der Welt zählt.
Auf Basis der CLL-Übersichtskarte entsteht nun eine interaktive Webseite.
Diese Plattform soll vorrangig als Ausgangspunkt für die weitere Forschung zu
CLL-Treibergenen und -Subtypen dienen.
An der Studie waren Forschende der renommierten US-Einrichtungen Dana-Farber
Cancer Institute, Mass General Cancer Center und vom „Broad Institute of
Harvard and MIT“ federführend beteiligt. In Europa wurden die Untersuchungen
von den Universitäten Ulm, Barcelona und Oviedo geleitet. Dazu kommen weitere
Einrichtungen in Deutschland, Spanien und den USA.
Die Studie ist von den „National Institutes of Health“ und dem „Broad/IBM
Cancer Resistance Research Project“ finanziert worden. Weiterhin
unterstützten die Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB
1074) und andere Förderorganisationen.
Mit Material des Massachusetts General Hospital, Katie Marquedant
Knisbacher, B.A., Lin, Z., Hahn, C.K. et al. Molecular map of chronic lymphocytic leukemia and its impact on outcome. Nature Genetics (2022). https://doi.org/10.1038/s41588-022-01140-w
(Foto: Heiko Grandel, Analyse von Patientenproben mittels „Next Generation- Sequencing“ in der Leukämieforschung der Ulmer Universitätsmedizin)
Universität Ulm
Datensammlung identifiziert genetische Veränderungen und CLL-Subtypen
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